Auf dem Weg nach Roermond über den Highway 52 sah ich an manchen Orten rechts oder links neben dem Teer auch einige Osterfeuer, die noch genug Energie in die Atmosphäre (ver)b(r)annten. So in etwa diese Energie bran(n)(t)(det)e auch ab 20 Uhr 30 von der etwas vergrößerten Bühne ins Cafe de Weegbrug: Bryan Lee und seine Blues Power Band luden zum Blues am Ostersonntag und die Hütte brannte, denn: Bryan Lee spielt den Blues nicht, er ist der Blues! Er lebt den Blues!
Und seine Blues Power Band hat nicht nur den Namen, Namen sind Schall und Rauch heißt es in Goethes Faust auf die Gretchenfrage „Wie hast du`s mit der Religion“?
Hier bei dieser Band hat er die volle Power und entwickelt ungeheuren Schall und es raucht permanent und die Religion der Vier heißt Blues, Blues in seiner rauen, nicht geschminkten, unpolierten und nicht um polierten elektrischer Form, der Stoff aus dieser Form ist außerdem auch noch messerscharf ungebügelt!
Und intensiv! Das kocht und brodelt!
Ich versuch das im Folgenden mit meiner Tastatur rüberzuschreiben, leider sind Buchstaben ja nicht in der Lage, das Gehörte, Gesehene zu visualisieren.
Bryan bellt und röhrt und schreit und yeaht die Texte raus, macht zwischendurch launige Bemerkungen in humorvoller Erzählweise zu den zu spielenden Titeln und zum Leben im Blues.
Bryan Lee, 67 Jahre alt, blind seit seinem 8. Lebensjahr, infiziert mit dem Blues seit seinem 14. Lebensjahr, ergreift seine Fender Telecaster: die klingt filigran ruppig, die Töne schneiden die Luft im Cafe in Scheiben, und sie beißen. Es gibt für mein Empfinden keine Gitarre die so zubeißt!
Ohne Effekte, ohne besinnungsloses Gefrickel, die Gitarre pur und rein, was für Pfunde aus dem Fundus der Bluesriffs und Licks.
Enrico Carpetano from Italy sitzt hinter seinem Piano, wegen der Breite dieses Instruments musste ein kleiner Annebenbau an die Bühne, und: Enrico ist einfach völlig Pianissimo!
John Perkins aus New Orleans beschlägt das kleine und völlig ausreichende Drumset und Bill Blok aus Buffalo/ New York ist der Mann für die tiefen Töne, die beiden bringen die vorgelegten Gesang -, Gitarren – und Pianotöne nach Hause! Und wie!
Bryan schwört auf seine Truppe während des Auftritts einige Male, er ist mächtig stolz auf sie. Das kann er auch.
Braille Blues Daddy von der gleichnamigen CD eröffnet die Ganzkörpergutbehandlung der Zuhörer, die sind verdammt – geht gar nicht anders – zum Mitwackeln, zur permanenten Bewegung diverser Köperteile, anerkennende Pfiffe und Anfeuerungsrufe zu verteilen, zum Applaudieren, zum Schwitzen und demzufolge etlichen Bierbestellungen.
Zu Bryans bei diesem Lied sparsamen Gitarrentönen gesellen sich ausgedehnte Pianoeinlagen von Enrico, wie überhaupt das unegohafte Verhalten von Bryan in musikalischem Bezug zu seiner Truppe zu loben ist: die haben Freiräume zur Entfaltung ihres Könnens noch und nöcher und wie oft nickt Bryan dazu, das passt schon arg.
Vor einer knappen Stunde noch auf dem Highway Number 52 unterwegs fahren die Jungs jetzt mit mir auf dem Jimmy Reed Highway, und das rollt unaufhaltsam nach vorne, das vergroovt und growlt die Nackenmuskeln ohne zu verspannen.
Von seinem neuen Album My Lady Don`t Love My Lady stammt der im Chicagoblues verwurzelte Titel I Don`t Know. Der basiert sich sehr schlag – und basstechnisch schleppend nach vorne, außerdem rummst er untenrum durch die Kneipenboderbretter in die Füße, der bewegte Mann/Frau ist allenthalben im Cafe zu beobachten.
Ist das ’ne fertige Truppe. Das denke ich mir auch beim Schmankerl aus dem House New Orleans Funky Blues, die Six String Therapie von der gleichnamigen CD schlägt bei allen hier versammelten Patienten ohne Hilfe an, wie in der Textzeile beim Bullfrog Blues: You don’t need no doctor, You don’t need no pills….
Das Gitarrensolo innendrin hat King`sche Ausmaße, das zerrt an den Do You Feel Good Nerven, das brät, phantastisch, ich bin mal wieder völlig von den Socken!
So abwechslungsreich ist dieses Konzert, von Slow bis Funky, von laut bis leise, von Honky Tonk bis Tatata Ta.
Wir hören die Ansage von Bryan: sein Buddy Kim Wilson komponierte das folgende zu hörende, Don’t Bite The Hand That Feeds You, verewigt auf der Katrina Was Her Name CD, mit schreiendem Telecastersolo und Honky Tonk Piano. Alle Hörenden haben den Kaffee im Cafe auf und lesen die Messe mit. Das hat was mit der Messe überhaupt zu tun, der Messe im Film der Blues Brothers, nur hier sind es 4 Preacher, Grinnin` In Your Faces.
Danach sind wir alle wieder Ready For The Blues, Crosscut Saw von Albert King und The Sky Is Crying von Lewis, Levy und Elmore James und Little Red Rooster von Willie Dixon werden uns auch noch serviert und wie, das ist einfach intensivster, vorstellbarer Blues. Hey, Hey, The Blues Is Alright skandiert Bryan im Wechsel mit dem Publikum, aber so was von alright.
Die Band stellt er uns ausführlich vor, jeder wird lautstark bejubelt.
Meine Freunde aus Roermond sind genau wie ich der Meinung, das Konzert kommt in unsere Bluesruhmeshalle.
Die Quintessenz dieses Zweieinhalbstündigen Spektakels lautet unzweideutig und überzeugend wie schon oben erwähnt: Hey, Hey, The Blues Is Alright!