Siena Root im Piano in Dortmund am 14.10.2010

Zum vierten Mal in diesem Jahr trat ich eine Zeitreise an: sie lotste mich zurück in die Anfänge meiner rockmusikalischen Sozialisierung und steuerte geradewegs in die Felder und Weiten und Höhen und Untiefen des Hard- und Psychrock der 1960er und 1970er Jahre.

Die Chromdioxidcasetten in meinem Saba Casettenrecorder liefen damals heiß mit Aufnahmen von z.B. Mountain, Vanilla Fudge, Blue Cheer, Deep Purple, Atomic Rooster und Uriah Heep.

Aus dieser Zeit sammeln Siena Root jede Menge Bilder für ihre Alben und dazu Drucke mit psychedelischen Effekten, so in der Greatful Dead, Jefferson Airplane, Quicksilver Messenger Service Art. Die finden auch ihren Weg auf die Saiten und Felle und Mikros und beeinflussen die bisherigen fünf  Machwerke des Mädels und der Jungs aus Schweden, indische und orientalische Einflüsse gibt’s noch obendrein und etwas Krautrockiges steht auch im Inhaltsverzeichnis.

Die vierte Zeitreise 2010 (meine Zeitreisen eins bis drei waren Sungrazer, Asteroid, DeWolff und Lonely Kamel) begann mit einem Instrumental aus dem 2009er Album namens Different Realities, es trägt den Titel “ Jog „.

Saitenmann KG West hockte sich mit seiner Sitar auf einen bereitgestellten Alutourkoffer, der Bassbeauftragte Sam Riffer ( Nomen est omen )gurtete sich seine Rickenbacker auf die Schulter und Taktgeber Love H Forsberg thronte bereit zum Zu-, Drauf und Beatschlagen über dem Ganzen. Mit ett tva tre überfiel uns ca. 120 Versammelte im Musiktheater Piano in Dortmund Lütgendortmund ein Sound nicht ganz aus diesem Universum, aber von dieser Welt.

Das Piano veranstaltet etliche Konzerte unserer liebsten Rock- und Blueshörgewohnheiten, das Personal ist nett und freundlich, auch die weiteste Anfahrt hier hin lohnt sich, auch wegen dem baulichen Ambiente, der musikalische Boden liegt in einem Saal im Jugendstil, es gibt also neben den auftretenden Bands auch anderes erbauliche.

Und nun Ladys and Gentleman, are you ready for some great sounds?

Aber immer!

Ein Sitarintro legte sich in den Ballsaal, der Sitarist (das kann ich meiner bescheidenen Meinung nach so bezeichnen!) KG vermittelte uns orientalischindischen Soul schwedischer Riffart, der kongeniale Riffmeister Sam unterzupfte diesen großartigen Sound dicksaitig und Love umschlug den sehr fetten Klang des ca. 12 minütigen Auftaktpostrockers. Dieser zog mittendrin sehr Kreislauffördernd merklich im Tempo an und um mich herum ging die tanzmusikalische Post ab…..ein sehr mundender Auftakt des nun noch folgenden zehngängigen Rockgourmetmenüs.

Zum zweiten Gang betrat die neue Sängerin Anna die Bühne, eine neue Sängerin? Aha! Das erzählte mir ein weiblicher Fan aus der Hammer Gegend – ihr Name bekommt leider nicht die Entlassungspapiere aus einer meiner Gehirnzellen – die das Quartett schon etliche Male live erlebte, ich kannte die Band bis heute nur konserviert.

Optisch sind die Vier auch tief in den 70ern verrootst, und auch manchem Gesicht hier im Quadratsaal verlieh es den Ausdruck zum: Weißte noch, damals, als die Welt noch nicht so verkommen war?

“ Ridin` Slow “ nannte sich der Gang, dieser Song funkte ein bisschen und beinhaltete auch eine Highwaybefahrung Steppenwölfischer Art, Anna nahm uns mit. Sie besitzt eine kräftige und vielseitige Stimme, das stellte sie uns heute Abend dauerhaft unter Beweis, KG legte dazu die Sitar beseite aber nicht weit weg, denn er fenderte uns nun einen, Sam machte natürlich den Riffer und Herr Forsberg rockte das Ganze zusammen ins Haus.

Dann wurde es interessant:  wie klingt“ Comin` Home “ von ihrer “ A New Day Dawning “ CD mit weiblicher Stimme, denn männlich ist sie auf der CD/LP….aber das passte ausgezeichnet, sehr unterhaltsam und auf hohem körperbewegungstechnischem Niveau für beide Seiten, und ausgestattet mit einem hardrockigmarkanten Riff, die Köchin und die Köche servierten uns einen delikaten dritten Gang.

Obwohl die Band jede Menge Einflüsse verarbeitet und vereinnahmt ist ihr Sound sehr eigen und ziemlich unverwechselbar und sie spielen zusammen wie `ne Eins. Fünf Sterne oder 10 Soundkochmützen von mir, meine Schuhe und Socken waren schon nach dieser kurzen Zeit auf Wanderschaft aus, das zog sie hinweg.

Aus der CD “ Far From The Sun “ stammte das riffiggriffige Tatsachenstück für den heutigen Abend: die Komposition “ The Summer Is Old „, mit Wahwah Vorspeisen und wechselndem Tempo, ruhigen Passagen und Breaks im Hauptgang mit deftigen Bratereien, der sich regelrecht zu einem Jam aufköchelte……eine Sahnehaube auf dieses Konzert, der Begeisterungsbeifall ist an- und entsprechend.

Der schwedischstämmige Retro/Vintage/Classic Rock von gestern und vorgestern aber nicht von gestern führte uns ohne Aufenthalt zu einem Lied ihrer Compactdisc “ A New Day Dawning “ mit dem Titel “ Trippin` „, und der animierte einige Hörerinnen im Saal symbolisch zum Tanz auf dem noch lange nicht abgeräumten Tisch.

Und wieder klang dieses Lied ja wie vorher schon anders, da auf der CD mannhaft gesungen wird und hier und heute Anna die Noten etwas anders verteilt und mit der Höchstnote belohnt wurde.

Das Quartett balsamierte unsere Körper und erhielt prasselnden Applaus und die musikalische Gesamtsituation heute Abend war sehr Adrenalin freisetzend, alles Songs Of Joy.

“ We Are Them “ begann mit leisen Gitarrenklängen und Anna sang uns mal wieder vor wie gut sie in das Bandgefüge passt, Siena Root verfügte im Laufe der Bandgeschichte schon über etliche Sängerinnen und Sänger die alle auf ihre Art und Weise den Liedern alles gaben.

Anna gab auch alles und wieder der Schreibhinweis auf das phantastische Zusammenspiel der Vier.

Nach leise kam ziemlich laut und der Song gleitete fließend in die rocktwiedieSau Phase und fand auch den Weg ohne nachzulassen wieder heraus, Breaks und Tempowechsel würzten den Gang zusätzlich ohne den Geschmack zu versalzen, da war auch reichlich Pfeffer drin.

“ Words “ beinhaltete sogar ein bisschen was Lateinamerikanisches, hatten wir heute noch nicht, und wieder ist die weibliche Stimmbegleitung gegenüber der männlichen auf der CD um keinen Deut unpassend,. Die Latinphase wurde nach einiger Zeit abgelöst und von der Halbzeit bis zum Finale rockte es dann immer intensiver. Intensiv auch wieder die Reaktionen der Lauschgemeinde, sie prasselten auf die Band nieder und die fühlten sich Hochwohl.

Beim Instrumental “ Bhimpalasi “ wurde KG West wieder zum Sitarspieler. Dieses Instrument ist schon ein Soundaufmischer der besonderen Art und dieses, meisterlich bespielt wie von KG, machte live schon was her, das Musikkonsumentenauge isst ja auch mit und ich kann das aus kurzer Entfernung bestaunen und speichern.

In den Schlussbogen schwenkten wir ab mit “ Until Time Leaves Us Again „: Sam riffte munter los und KG briet mit der Fender immer mal auf, im Verlauf des Liedes wieder Tempowechsel und Breaks die das Ganze aufbrezelten und wieder klang die weibliche Stimme im Gegensatz zur männlichen auf der CD passend und das die Schweineorgel hier heute Abend fehlte ist zu verschmerzen, vielleicht beim nächsten Mal.

Mit den beiden letzten Stücken, die zugleich den Nachtisch bzw. die Zugaben darstellten und die da waren: “ Waiting For The Sun “ und “ Good And Bad “ gab’s noch mal reichlich was auf die Ohren.

Wahwah und Fuzzeinlagen machten sich auf den Weg von den Saiten in die Boxen und auf diesem Weg führten uns die Dame und die drei Herren noch mal richtig vor was sie so ziemlich außergewöhnlich in dieser Welt der Rockmusik macht, jenseits vom Rockmainstream.

Und im Jenseits ganz da oben freuten sich bestimmt etliche Musiker/innen mit uns über diesen Output Ü 40 + – X.

Zum Broterwerb der Band trug ich schon vor einiger Zeit bei durch den Kauf ihrer CDs und LP, also begann ich auf dem Heimweg nach Hilden mit der Verarbeitung des Gesehenen und Gehörten und mein Fazit: von diesem Menü wird man/frau sehr satt. Ihr Siena Roots, erfreut uns baldmöglichst wieder mit eurem Besuch.

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